Shortseller: Plattmachen! Oder wie eine Diskussion abdriftet
Letzte Woche habe ich eine sehr interessante Zuschrift bekommen. Ein Börsebius Leser vom schönen Bodensee (ja, da komme ich auch her, hallo lieber Herr Landsmann) schickte mir einen „Standpunkt“ aus der FAZ vom 08.10.2020 mit den folgenden Worten.
„Lieber Herr Rombach,
als regelmäßiger Leser über viele Jahre kenne ich ihre Meinung über die smarten Jungs.
Die FAZ veröffentlicht eine völlig gegenteilige Meinung, nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ethischen Gründen.
Da komme ich doch sehr ins Grübeln.
Mit besten Grüßen, Ihr treuer Leser
Dr. med. T. Überlingen“
In diesem Standpunkt fordert immerhin ein veritabler Professor für Betriebswirtschaftslehre, Shortsellern quasi den Garaus zu machen. „Leerverkäufe verbieten!“ lautet die ultimative Überschrift des Artikels. Auch wenn die übersandte Kopie dieses FAZ-Beitrages von schlechter Qualität ist, hänge ich ihn trotzdem hier an, damit Sie sich selbst ein Bild machen können:
Anzeige FAZ Standpunkt
Zunächst einmal habe ich großen Respekt vor der Meinungsäußerung von Professor Klaus Watzka. Wenn er meint, daß Shortseller davon gejagt werden müssten und es gut begründet, bitte schön, gerne.
Ich fühle mich auch, ehrlich gesagt, nicht angepiekst und will mich auch nicht irgendwie rechtfertigen, schon gar nicht eine Verteidigungsrede starten.
Denn: Seit ich über Leerverkäufer schreibe (siehe auch den unteren Kasten „Shortseller: Fluch oder Segen“), schlug ich mich nie auf eine Seite, sondern habe den Nutzen für mich als Kolumnisten oder wenn Sie so wollen, auch für Sie als Anleger gesehen. Nicht mehr und nicht weniger.
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Shortseller: Fluch oder Segen?
Leerverkäufer sind das Krebsgeschwür der Finanzmärkte, Verbrecher, Strauchdiebe. So schimpfen deren Gegner. Leerverkäufer, auch Shortseller genannt, decken lediglich Probleme auf, die ein Unternehmen bereits hat, aber der Markt noch nicht kennt. Sie leisten somit einen wertvollen Nutzen für die Allgemeinheit, so die Befürworter.
Ein Glaubenskrieg? Kann sein. Für mich ist ausschließlich die Frage interessant, ob ich mit Shortseller-Analysen meinen Lesern einen Mehrwert bieten kann. Ich bin überzeugt davon, dass das kluge Ausnutzen der Shortseller Aktivitäten eine prima Sache für den Anleger sein kann. Die smarten Jungs hören eben oft das Gras wachsen oder riechen vice versa nicht selten den faulen Braten.
Wenn sich Leerverkäufer einer Aktie „annehmen“, also short gehen, kann dies ein klares Indiz sein, den Wert zu meiden. Oder ihn zu verkaufen. Ebenso spannend ist aber, wenn die Shortseller das Interesse an einem Titel verlieren, also gewissermaßen von ihm „ablassen“. Hier ist es nicht verkehrt, an einen Kauf dieser Aktie zu denken.
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Nun will ich mich aber doch dem „Standpunkt“ von Klaus Watzka inhaltlich nähern.
„Als aktiver Kleinanleger mit über 40 Jahren Börsenerfahrung habe ich zu Leerverkäufen einen ganz klaren Standpunkt: Verbieten! Subito.“
Na das ist doch ein klares Statement und ich bin gespannt auf die weitere Begründung, wiewohl mich schon stört, daß möglicherweise ein aktiver Kleinanleger eine andere Meinung haben könnte als beispielsweise ein Professor für BWL. Gut, im konkreten Fall passt es ja anscheinend zusammen.
Watzka beklagt ungefähr in der Textmitte „Kursmanipulation zu Lasten von Kleinanlegern“, weil sich Leerverkäufer im elektronischen Orderbuch „wertvolle Informationen“ darüber verschaffen, zu welchen Kursen Kleinanleger Stopp-Loss-Limite gesetzt hätten. Autsch! Ehrlich gesagt glaube ich, daß Shortsellern das schlicht egal ist. Die sind auf einer ganz anderen Baustelle unterwegs.
Recht hat der Autor, daß die Jungs das Instrumentarium der publikumswirksamen Begleitmusik aus dem Effeff beherrschen und zur rechten Zeit mit passenden Studien und dem Streuen von Gerüchten für fallende Kurse sorgen.
Hier müssen die Aufsichtsbehörden Foulspiele ganz klar ahnden. Das gilt aber auch für andere Bereiche der Wirtschaft genauso. Hier allerdings zu beklagen, daß Leerverkäufer für den „Verlust der Einkommensbasis für ganze Familien“ verantwortlich seien und der Gesetzgeber deshalb „diesen Ball aus dem Spiel nehmen“, also verbieten sollte, weil die Shortseller sich nicht für „wegbrechende Arbeitsplätze“ interessierten, finde ich lautmalerisch gelungen, aber inhaltlich doch sehr schräg.
Und dann schießt der Autor noch auf die Verleiher von Aktien, natürlich nur auf die Verleiher von Aktien an Shortseller. „Wie rational ist es, Aktien an einen Akteur zu verleihen, der beabsichtigt, den Kurs zu ruinieren?“ Die Aktienverleiher kämen langsam in den „Grauzonenbereich der Untreue“.
Klingt toll, klingt nach moralischem Zeigefinger, das ist aber kompletter Blödsinn, sachlich wie auch beim strafrechtlichen Untreuevorwurf. Wer Aktien verleiht, weiß nicht, an wen er sie verleiht. So ist das System. Punktum.
Zwischenfazit: Vielleicht täusche ich mich, aber irgendwie kommt dem Kleinanleger in seiner psychischen Befindlichkeit ein höheres Gewicht bei als dem abwägenden Wissenschaftler.
Wiewohl Leerverkäufer eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion haben können, erwähnt Klaus Watzka eher en passant, dieser Aspekt sei „sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen“.
Das war´s aber dann auch schon und das ist natürlich viel zu wenig! Natürlich erfüllen Shortseller eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion, also dem Erkennen von Fehlallokationen, wie es im BWL Deutsch so schön heißt. Drastischer geht’s auch. Nämlich dem Ausmisten von Schweineställen. Wenn es denn wirklich eines Beweises der Notwendigkeit von Leerverkäufern bedürfte: der Fall Wirecard ist Beweis genug.
Genau daher gilt immer noch: Ich liebe Leerverkäufer. Sehr sogar. Sie geben uns Hinweise, die sie uns im Grunde nicht freiwillig geben. Sowas nennt man Kollateralnutzen. Das gefällt mir sehr. Nach wie vor.
Bleiben Sie mir gewogen, ich bin Ihnen ebenso verbunden.
Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.
Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“
Keywords: Shortseller, Leerverkäufer, FAZ, Klaus Watzka, Fehlallokation, BWL, Kleinanleger, Wirecard
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