ETF, das trojanische Pferd, oder worum es möglicherweise wirklich geht.
Guten Mittwoch, allerseits. Ich habe von einem Börsebius Leser eine wunderbar formulierte und ziemlich fundierte Email zum Thema ETF bekommen und darüber hinaus jede Menge Anrufe eben zu Exchange Traded Funds, also börsennotierten Indexfonds. Dafür danke ich allen sehr, besonders natürlich dem besagten Leser, Herrn Johannes G. und hoffe, daß er damit einverstanden ist, hier eine Kolumne daraus zu machen.
Damit Sie besser im Flow bleiben, habe ich meine Antworten (in rot) direkt unter die jeweiligen Fragen gesetzt.
Sehr geehrter Herr Rombach,
ich lese seit einiger Zeit Ihren Newsletter mit einigem Interesse und wollte fragen, ob Sie noch einmal das Thema ETF beleuchten könnten. Das Thema ist brandaktuell und es werden viel Argumente dafür und dagegen vorgetragen. Leider meist nur bruchstückhaft – das Gesamtbild bleibt aus. Eine Abwägung der Chancen und Risiken und ein differenziertes Fazit fehlt mir bis jetzt (leider auch bei Ihnen, obwohl Sie einige sehr spannende Punkte ansprechen, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin).
Der Hinweis, dass es schwarze Schafe unter den ETFs gibt, heißt ja noch nicht, dass es keine guten ETFs gibt. Sehr schön, dass Sie mich auf das Thema Wertpapierleihe gestoßen haben. Das war mir vorher nicht bekannt. Was ist aber mit ETFs, die keine Wertpapierleihe betreiben? Wären diese nicht empfehlenswert? Wo sehen Sie da ein Problem?
Börsebius: Jetzt muß ich ein wenig ausholen. Ich bin kein prinzipieller ETF-Hasser, ganz im Gegenteil, die Idee des ETF ist ja durchaus faszinierend. Schlimm ist nur, was manche (ach was, die meisten) Initiatoren daraus machen. Sie verleihen eben genau Wertpapiere und vereinnahmen die Leihgebühren dann auch noch zu großen Teilen für sich. Das gleiche gilt für Dividenden. Mir persönlich sind keine ETF größerer Anbieter bekannt, die keine Wertpapierleihe betreiben. Ich lasse mich aber hier gerne eines Besseren belehren.
Und wenn das Fazit wäre, sich von ETFs lieber fernzuhalten: was wäre die Alternative? Schließlich ist wohlbekannt, dass die allermeisten Anleger und Fondsmanager langfristig dem Index unterliegen. Was soll man also tun? Den Index selbst nachbilden?
Börsebius: Sie haben völlig recht, die meisten gemanagten Fonds schlagen den Index nicht. Das finde ich auch nicht toll, ist meines Erachtens aber keine Konkurrenzargumentation zu ETF nach dem Motto „Sprinter schlägt Fußkranken“.
Die Tatsache, daß ein ETF gemanagte Fonds schlagen „muss“ ergibt sich ausschließlich aus der Kostenkonstellation. Und nicht etwa aus Gütekriterien. Das Güteproblem haben alleine gemanagte Fonds. Eo ipso. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Hab ich mir gemerkt für eine neue Kolumne demnächst.
Ach so, Ihre Frage, was tun? Folgen Sie Ihrem Vorschlag! Ich kann Ihnen nur empfehlen, Ihrer Idee zu folgen und den Index selbst nachzubilden. Sie müssen ja auch nicht unbedingt alle Indexwerte auswählen, also nur die mit einem hohen Korrelationskoeffizienten nahe Eins. Wenn Sie das mit einem kostengünstigen Onlinedepot (z.B. ebase – ja dort gibt es auch Aktiendepots) machen, und das lange genug, schwöre ich Ihnen, daß Sie nach 10 Jahren jeden (vergleichbaren) ETF aus dem Felde schlagen. Warum? Sie vereinnahmen alle Dividenden ganz für sich alleine und außerdem, wenn Sie wertpapiertechnisch fit genug sind, Wertpapierleihen können Sie selbst auch eingehen, vorausgesetzt, Sie haben das nötige Depotvolumen.
Nehmen wir einmal an 90% der aktiven Fonds laufen schlechter als der Vergleichsindex (ich hoffe, das kommt hin). Sind sie der Meinung, dass auch 90% der ETFs langfristig schlechter laufen als der Vergleichsindex? Nur wenn dies der Fall ist, wäre das der Grund sich gegen ETFs zu entscheiden. Die Frage ist schließlich nicht, ob ETFs perfekt sind (diese Frage wird vielerorts suggeriert). Die Frage ist: gibt es eine bessere Alternative? Das kann ich mir kaum vorstellen, lasse mich aber gerne eines besseren belehren (nehmen wir dabei als Basis einmal nur die „großen“ ETFs auf DAX, MSCI World etc. und keine short-ETFs auf Marihuana). Nur wenn 90% der ETFs langfristig schlechter sind als der Vergleichsindex, wäre das ein Grund sich dagegen zu entscheiden.
Börsebius: Das geht so nicht, der Vergleich hinkt. Siehe oben. Sprinter zu Fußkrankem. Stimmt, 90 Prozent der aktiven Fonds schlagen den Index nicht. Das ist deren eigenes Thema, warum das so ist. Es ist bedauerlich genug. Sie legen allerdings eine Leimrute aus, wenn Sie daraus folgern, weil 90% der ETF n i c h t schlechter sind als der Index, die ETF gegenüber den gemanagten Fonds zu favorisieren sind.
Ich bleibe dabei. Es gibt eine bessere Alternative. Selber den Index abbilden, notfalls nur teilweise. Das wäre dann auch übrigens ein interessanter Vergleichsmaßstab. 100 Anleger, die den Index selber nachbilden, ins Verhältnis setzen zu 100 ETF Anbietern und dann – nach 10 Jahren – mal schauen…
Ich hoffe, Sie können meinem Gedankengang folgen und bin sehr gespannt auf Ihre Antwort. Ich bleibe Ihnen gewogen, Sie sind es auch;-) Johannes G.
Börsebius: Ich habe herzlich zu danken für die wirklich fundierten Fragen. Meines Erachtens berührt aber eine Frage, die gar nicht gestellt wurde, den Kern des Pudels.
Warum gibt es eigentlich so viele ETF? Weil die Banken damit kein Geld verdienen? Weil die Banken die Welt verbessern wollen? Die Anleger glücklicher machen wollen? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß wir hier einer gewaltigen Schimäre aufsitzen. Genauso wie uns Google und Facebook glauben machen wollen, es gäbe sie im Grunde nur, weil sie ausschließlich Gutes tun wollen und uns alle so lieb haben. Ist es denn nicht vielmehr so, daß der Zusatznutzen für die Initiatoren der ETF (Erträge aus Wertpapierleihen und Dividenden,etc.) so riesengroß ist, daß am Ende für die Emittenten genug hängen bleibt?
Natürlich kann ich hier keine allumfassende Erörterung der Fragen und Probleme rund um das Thema ETF leisten, etwa zu physisch replizierenden versus SWAP-basierten ETF. Aber damit Sie einen Überblick über meine bisherigen ETF-Kolumnen haben, hier die dazu gehörenden Links. Sollte das nicht klappen, schauen Sie bitte im Archiv nach.
https://www.derboersebius.de/des-kaisers-neue-seltsame-kleider-oder-wie-sich-manche-etfs-die-welt-einfacher-stricken/
https://www.derboersebius.de/etf-eine-echt-teuflische-sache/
Ach, und zum Schluß vielleicht noch ein, wie ich finde, wichtiger Gedanke zum angesprochenen Gesamtbild des geschätzten Lesers. Bisher mussten (oder konnten) ETF in der Krise ihre Daseinsberechtigung noch nicht rechtfertigen oder anders herum, der Beweis steht noch aus, daß ETF bei einer langanhaltenden Baisse oder einem Kurssturz „halten“ oder – ganz im Gegenteil – gar den Kurssturz noch verschlimmern könnten. Vielleicht sind ETF in einer solchen Phase ja auch trojanische Pferde für ein Wertpapierdepot. Es kann gut sein, daß diese Nagelprobe näher rückt.
Bleiben Sie mir gewogen, ich bin es auch. Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.
Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“