Die Börsebius Mitmachkolumne (II): Wo in der Zeitenwende der Finanzmärkte überall der Schuh drückt

Die Börsebius Mitmachkolumne (II): Wo in der Zeitenwende der Finanzmärkte überall der Schuh drückt

 

Eingedenk des Wissens, daß eine Kolumne immer nur spannend und aktuell ist, wenn der Kontakt zum Leser nicht verloren geht, habe ich vor gut drei Jahren das neue Format „Die Börsebius Mitmachkolumne“ ins Leben gerufen. Meine treuen Börsebius Fans schreiben mir ja relativ viel und ich bekomme ja auch einigermaßen oft Anrufe zu diesem oder jenem Thema. Wo halt den Leuten in Gelddingen der Schuh drückt.

Und weil derzeit unglaublich viele Fragen Börsebius erreichen, gab es die Börsebius Mitmachkolumne bereits letzte Woche und heute folgt – wie versprochen – die zweite.

Kuka vor dem Squeeze-Out: Besser vorher verkaufen?

„Sehr geehrter Herr Rombach,

ich besitze in meinem privaten Aktienportfolio KUKA Aktien, diese sollen ja demnächst im Rahmen eines Squeeze-out-Verfahrens mit 80,77 € je Aktie abgefunden werden.

Soll ich das abwarten, oder ggf. vorher zu einem günstigeren Kurs schon verkaufen?

Vielen Dank für Ihre Einschätzung,
Dr. M.“

Ganz aktuell erreichte mich diese Frage zum baldigen Squeeze-Out von Kuka. Sie erinnern sich, das war ein führender deutscher Roboterhersteller, der nach einigem Hin und Her an einen chinesischen Konzern verkauft wurde.

Das vermeintlich Kuriose ist die Tatsache, daß die Aktie derzeit um 82 Euro gehandelt wird, also deutlich über dem Abfindungskurs im Rahmen des Squeeze-Out. Es ist schon klar, daß manche Anleger dann lieber einen höheren Kurs durch einen vorherigen Verkauf realisieren wollen, aber ist das wirklich klug?

Klare Antwort: Nein, ist es nicht. In der Regel werden die Squeeze Out Kurse im Rahmen eines sogenannten Spruchstellenverfahrens a) überprüft und b) in der Regel deutlich übertroffen. Genau darauf begründet sich der derzeit höhere Kurs und das ist im Falle von Kuka auch begründet.

Mich würde es nicht wundern, wenn im Rahmen des Spruchstellenverfahrens ein Kurs zwischen 90 oder 100 Euro möglich ist. Oder sogar mehr. Wer die Aktie aber vorher verkauft hat, kann davon nicht mehr profitieren. Also, schön die Füße still halten. Und nichts tun. Kann aber bis zu zwei Jahren dauern, bis die Sache entschieden ist. Lohnt sich aber meines Erachtens.

Wann sind die Strafzinsen weg?

„Lieber Herr Rombach , was glauben Sie , wann wird der Negativzins flächendeckend wieder abgeschafft bei den Geldinstituten. Herzliche Grüße Ihr Dr. K.“

Ja die Strafzinsen. Oder Verwahrentgelte. Oder Wegelagerer-Gebühren. Auch wenn man die Beharrungstendenzen einiger Geldhäuser nicht unterschätzen sollte. Die Strafzinsen werden es nicht mehr lange machen.

Die ING Diba ist bereits vorgeprescht. Ich denke, daß die anderen Online-Banken demnächst folgen, dann kommen Sparkassen und Volksbanken. Die großen Privatbanken werden sich zunächst noch zieren, müssen aber dann auch den Marktgesetzen Tribut zollen. Bis Ende des Jahres sollten wir mit dem Thema durch sein.

Und wenn im einen oder anderen Fall das Geldhaus noch aufmuckt: Konto kündigen oder zumindest androhen. Das wirkt Wunder.

Bayer, Rohstoff-Aktien Superzyklus?

„Sehr geehrter Herr Rombach,
Vielen Dank für Ihre Kolumne von letzter Woche! Ihr Thema war eigentlich die Stopp-Loss-Order, aber Sie hatten Bayer am Rande als Beispiel erwähnt.
Mich würde interessieren, wie Ihre aktuelle Meinung zu Bayer ist? Wir hatten vor mehr als eineinhalb Jahren bereits einen kurzen Mailaustausch zu Bayer (… „zwei Herzen schlagen in meiner Brust“).
Eigentlich hat der Konzern die Rechtsrisiken in den USA durch hohe Rückstellungen ja mittlerweile begrenzt. Trotzdem wird die Aktie wohl weiter – auf Grund der nicht-endenden Glyphosat-Geschichte – mit angezogener Handbremse fahren. Oder irre ich da? Aktuell profitiert Bayer ziemlich stark von hohen Preisen auf den Agrarmärkten bzw. auch von hoher Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln. Ggf. deutet sich in der Pharmasparte auch ein potenter Nachfolger für den Kassenschlager Xarelto an, und über weitere Neuzulassungen wurde berichtet. Es gibt also positive und auch negative Signale… und es bleibt wohl bei dem Hin- und Hergerissen sein! Geht es Ihnen damit auch so? Oder haben Sie hier eine bevorzugte Richtung?

Eine ganz andere Fragestellung: Neulich las ich im Wirtschaftsteil einer großen Zeitung, dass der Superzyklus der fossilen Energien durch einen neuen Superzyklus überlappend abgelöst wird: nämlich den der (Industrie-)Metalle! Diese seien immer wichtiger und unverzichtbar bei der angestrebten Dekarbonisierung.
Sie hatten mit K&S bereits einen Rohstoffwert in Ihrer Börsebius-Masterliste. Was halten Sie davon, in Rohstofffirmen zu investieren, deren Geschäft sich schwerpunktmäßig um Metalle dreht? (… die Rede ist von Kupfer, Kobalt, Nickel, Zink, Lithium und Edelmetallen für Industriezwecke)

Konkret hätte ich zwei Vorschläge, in die ich mich bereits eingelesen habe, aber trotzdem noch nicht so richtig ran traue:
Glencore: schweizerisch-britischer Bergbaukonzern und Rohstoffhändler, der auch (aktuell noch) ein nicht unerheblich großes Standbein bei Kohle, Öl und LNG hat. Allgemeine Kritik zu diesem Konzern kommt v.a. bei den Schlagworten Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen (in Minen) und Treibhausgasemissionen. Ein weiteres Problem sind jetzt evtl. die Beteiligungen an russischen Firmen (u.a. Rosneft und russ. Aluminiumbeteiligung), da kenne ich aber das Ausmaß nicht. Allerdings, wenn Russland bei der Lieferung von Industriemetallen ggf. wegfällt, wird ein großer Lieferer wie Glencore für die westlichen Industrien immer wichtiger.
Umicore: Materialtechnologie- und Recyclingkonzern mit Hauptsitz in Brüssel. Hier geht es weniger um das Schürfen, sondern vielmehr um das Recycling von Metallen und Edelmetallen (u.a. aus Elektroschrott), aber natürlich auch um das Recycling von Batterien und Akkus. Auch bei Katalysatoren aller Art für sämtliche Industriebereiche (neben den für PKWs und LKWs) scheint Umicore sehr breit aufgestellt zu sein. Hinzu kommen diverse Spezialmaterialien, -chemikalien und Substrate für die Herstellung von u.a. Akkus, Photovoltaikelementen und LEDs.
Der Aktienkurs von Umicore zeigt in den letzten Jahren ein ziemliches Auf und Ab, aber langfristig müsste der Konzern doch von seiner Ausrichtung auf Industriemetalle und Recycling profitieren. Im Falle von ansteigenden Rohstoffpreisen (für Metalle) dürfte das Geschäft von Umicore auch noch profitabler werden.
Was halten Sie von den zwei vorgestellten Kandidaten? Alles hängt natürlich stark davon ab, wie sich die Rohstoffpreise (für Metalle) in den nächsten Monsten und Jahren entwickeln. Die betriebswirtschaftliche Situation können Sie – aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung beim Lesen von Unternehmenszahlen – vielleicht schneller erkennen. Ich würde Sie aber nur darum bitten, wenn Sie – als Wirtschaftsjournalist – diesen neuen Superzyklus genauso spannend finden wie ich.
Bin gespannt auf Ihre Meinung, und verbleibe mit besten Grüßen aus München,
D.“

Donnerwetter, das ist ja mal eine sehr fundierte und kenntnisreiche Zuschrift. Herzlichen Dank dafür.

Bayer: Sondersituation?

Zunächst einmal zu Bayer. In der Tat bewegen mich sehr ähnliche Gedanken. Vom Herzen her bin ich eher auf der Käuferseite, vor allem wegen der Agrarsparte ist Bayer eigentlich ein Muss!

Auf der anderen Seite macht mir die Verschärfung der Rechtsrisiken in den USA für den Leverkusener Konzern echt Sorgen. Da sind wohl noch etliche Milliarden mehr als gedacht im Feuer.

Wäre ich Fondsmanager, würde ich Bayer kaufen und direkt Stillhalten. Also Kaufoptionen verkaufen. Und regelmäßig Prämien einstreichen. Und warten, bis der Kurs anfängt zu steigen.

Rohstoffaktien Superzyklus?

Die zweite Frage des geschätzten Lesers zu Rohstoffaktien und dann auch noch zu zwei konkreten Aktien ist durchaus berechtigt und total spannend. Die ist so anregend, daß ich das Thema auch mit dem Fondsmanager der Börsebius Fonds, Rainer Lemm diskutiert habe.

Rainer Lemms Meinung will ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten. Der Fondsmager sieht schon auch Chancen in diesem Bereich, meint allerdings, daß es für einen Einstieg schon zu spät ist. Vor allem weil Zinsen und Inflation für eine Rezession im nächsten Jahr sorgen würden. Rezession heißt: Druck auf Metallaktien. Mit anderen Worten: Glencore und Umicore wird es bald preiswerter geben. Im Blick sollten aber auf jeden Fall beide Aktien bleiben.

Fazit: Aus dem Feedback und den Fragen letzten Tage wurde also diese aktuelle Mitmachkolumne. Ich darf mich bei den vielen Mitakteuren für die spannenden Fragen sehr bedanken. Börsebius ist immer nur so gut wie die von den Leserinnen und Lesern gesetzten und gewünschten Inhalte und Themen.

Bleiben Sie mir gewogen, ich bin Ihnen ebenso verbunden.
Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.

Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“

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