Der Wahnsinn hat einen Namen: Stopp-Loss-Orders
Deutschlands Börsianer lieben Stopp-Loss-Orders. Sie auch? Wenn ich mir die Lobhudeleien von einigen Experten zu diesem Thema genauer anschaue, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich fast um einen Religionsersatz handele oder zumindest um ein Nervenberuhigungsinstrumentarium.
Da ich fest davon überzeugt bin, daß nichts von alledem wahr ist, widme ich heute meine Kolumne diesem Thema.
Also: Immer wieder höre ich von Börsianern, „da setze ich einfach eine Stopp-Loss-Order und alles ist gut“. Dann erschrecke ich regelmäßig zutiefst und frage mich, warum dieser Anleger eigentlich glaubt, daß ihn eine solche Weisung vor Ärgerem schütze. Sie tut es nämlich genau nicht und ich will gerne versuchen, Ihnen den Glauben an deren wundersame Wirkung gründlich zu vermiesen.
Zunächst einmal frage ich mich, wie kommt die Stopp-Loss-Order zu ihrem guten Ruf? Ich glaube, daran sind Heerscharen von Bankberatern schuld, die ihren Kunden suggerieren, der Berater mache sich Sorgen um Wohl und Wehe des Kunden. „Sie können doch Ihr Depot ganz gut absichern, wenn Sie ein Stopp-Loss setzen“. Der Kunde mag sich dann vielleicht gut aufgehoben und geschmeichelt fühlen, sicherer vielleicht auch.
Im Internet und in den sozialen Medien wird diese Form der Wertpapierorder sowieso als Ausbund von Weisheit gefeiert, zumindest als das Nonplusultra gehäuften Börsenwissens. Aus meinem Bekanntenkreis könnte ich jede Menge Leute aufzählen (tue ich natürlich nicht), die mir mit gewichtiger Miene erzählen, bei welchem Wert und welchem Kurs sie ein Stopp-Loss gesetzt hätten.
Und dennoch ist eine Stopp-Loss-Order (oder Stopp-Loss-Limit) der blanke Unsinn.
Stopp-Loss-Orders gaukeln Ihnen eine vermeintliche Sicherheit vor, wo gar keine ist. Denn beim Erreichen der gesetzten Marke wird eine Aktie verkauft, ob das Sinn macht oder nicht, ist völlig egal. Welcher Stopp-Kurs gesetzt wird, ist völlig willkürlich und durch nichts zu begründen. Wo ist der richtige Stopp-Kurs, wenn mein Wert momentan bei 18 Euro steht? Bei 15, 14 oder 12? Keiner weiß es. Gut, nehmen wir an, Sie haben am Freitag einen Stopp bei 12 gesetzt. Am Montag startet die Börse schwach, weil irgendwo in der Welt etwas Schlimmes passiert ist und der Kurs touchiert die Marke von 12 Euro und erholt sich dann wieder auf 15 Euro. Ihr Problem: Der Wert ist weg, endgültig, bei 12 Euro verramscht. Echt ein tolles Geschäft.
Ein aktuelles Beispiel gefällig?
Die SAP Aktie notierte über Wochen und Monate deutlich über der Marke von 120 Euro. Nun gut, sagte sich ein Anleger, dann setze ich mal ein Stopp-Loss bei 90,20 Euro. Und das tat er dann auch genauso. Warum er 90,20 Euro wählte, war eine Gefühlsentscheidung. Aus dem Bauch heraus halt. Weit genug weg, falls was passiert. Und wenn es passiert, passiert es eben. So ungefähr könnte die Motivlage gewesen sein.
Am 02. November 2020 war es dann soweit. Nach schlechten und erst recht überraschenden Unternehmenszahlen stürzten SAP regelrecht ab. Der Tiefstkurs an diesem Tag lautete 90,18 Euro und Sie wissen genau, was nun passierte. Die Stopp-Loss-Order wurde genau zu 90,20 Euro ausgeführt. Die SAP Aktien waren somit weg. Unwiederbringlich verkauft.
Nur zwei Wochen später steht die Aktie wieder um 100 Euro und ich bin sicher, der vermeintlich schlaue Stopp-Losser beißt sich sonst wo hin.
Die Stopp-Loss-Order ist also genauso widersinnig wie der – zuweilen tiefverwurzelte Glaube – eine „ bestens“-Verkaufsorder führe zum bestmöglichen Verkaufserlös. Das ist mitnichten so. Im Gegenteil, sie führt im Ergebnis zum Schlechtesten aller möglichen Kurse. Also, stoppt Stopp-Loss-Orders. Quatsch bleibt Quatsch, so gut er sich auch anhören mag.
Bleiben Sie mir gewogen, ich bin Ihnen ebenso verbunden.
Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.
Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“
TAGS: Stopp-Loss-Orders, Anleger, Sicherheit, Verkaufssignal, Psychologie, SAP
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